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Gartenbau in Finnland

Ein Artikel von Werner Oschek | 03.01.2013 - 09:00
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Finnland in Nordeuropa hat eine nur etwas kleinere Fläche als Deutschland, zählt aber mit rund 5,4 Mio. Einwohnern zu den am dünnsten besiedelten Ländern Europas. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt im Süden des Landes im Raum um und in Helsinki.
Bereits 1919 wurde der Verband finnischer Gewächshausgärtner gegründet. Dieser zählt 375 Mitglieder, jeweils zur Hälfte Gemüse- und Zierpflanzengärtner. Hauptaufgaben sind u.a., die Gärtner in allen Belangen zu vertreten, sie über ein Fachmagazin zu informieren und eine Fachausstellung zu organisieren.
Die Freilandproduktion lag 2011 zu Gärtnerpreisen ohne Steuer bei Gemüse bei 131 Mio. Euro, bei Beeren und Früchten bei 66 Mio. Euro und weiteren Garten­bauerzeugnissen bei 34 Mio. Euro.
Die Gewächshausproduktion 2011 lag bei Topf- und Schnittblumen bei 82,8 Mio. Euro und bei Gemüse bei 176,1 Mio. Euro Verkaufspreis ohne Steuer. Die Gewächshausproduktionsfläche betrug, auf die Jahresproduktion umgelegt und bei einer gesamten Gewächshausfläche von 340 ha, im Jahre 2011 bei Tomaten 25 ha, bei Gurken 15 ha, bei Topf-Kopfsalat 25 ha, Schnittrosen nahmen 4 ha ein, Jungpflanzen 3 ha und Topfpflanzen 6 ha.
Die Winterproduktion ist aufgrund der Energiekosten kritisch zu beurteilen, doch bevorzugen die finnischen Konsumenten heimische Produkte.
Hauptkultur bei Schnittblumen bilden Rosen mit 4 ha Anbau­fläche, doch hat diese nach dem EU-Beitritt von 1995 mit damals 43 ha stark abgenommen.
Die Topfpflanzenproduktion steht unter starkem Druck durch Produkte aus den Niederlanden, Dänemark, Deutschland und Belgien. Hochsaison sind hier Frühjahr und Weihnachten. Aufgrund der niedrigen Preise sind auch die Investitionen in diesem Segment gering.
Beet- und Balkonpflanzen werden wegen des schwierigen Transports meist regional vom Produzenten an den Konsumenten abgesetzt.

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Aktuelle Marktsituation
Was das Kaufverhalten betrifft, so wechseln die Konsumenten langsam von Schnittblumen zu Topfpflanzen. Der Markt wächst nur gering, und der Druck für die Preise des Gärtners ist aufgrund der Supermarktmargen groß. Während Schnittblumen verschwinden, bleiben Topfpflanzen und v. a. Beetpflanzen am Markt. Blumenzwiebeln haben eine starke Stellung.
Aktuelle Themen der Gewächshausproduktion sind LED-Studien, viele Gärtner testen diese, doch ist der Einsatz noch nicht sehr groß. Weitere Themen sind Hybrid-Energien wie Sonne, Wind, thermische und erneuerbare Energie, CO2-Fußprint­studien für die Gewächshausproduktion, gesellschaftliche und soziale Verantwortung von Gewächshausproduzenten und höhere Steuern für Energie.

Besuch an der Universität Helsinki

Finnland sieht sich als Vorreiter für die Entwicklung und Einführung neuer Technologien in verschiedenen Industriezweigen. Der finnische Gartenbau setzt traditionell viel Belichtung bei der Kultur ein. Hier steht man vor einem massiven Wechsel, wenn LEDs die traditionellen Belichtungstechnologien ersetzen.
An der Universität wird viel Forschung betrieben. Über Versuche zu Tageslängen in Verbindung mit Temperaturen auf das vegetative und generative Wachstum wilder Erdbeeren berichtete Dr. Timo Hytönen von der wissenschaftlichen Agrar­abteilung der Universität Helsinki. Er hat die Funktion verschiedener Gene analysiert, die diese Prozesse steuern. Durch die Ergebnisse ist es jetzt möglich, Erdbeeren unabhängig von der Saison ganzjährig zu produzieren. Fragaria hatte er gewählt, da diese zu den Rosaceen gehören. Die Versuche laufen in einer Klimakammer, in der bis zu 2.000 Versuchspflanzen stehen können. 
Mit an der Uni vertreten ist das 2009 gegründete Unternehmen Valoya, das energieeffiziente LED Pflanzenbelichtung für den Profigartenbau anbietet. Mittlerweile beschäftigt Valoya 13 Mitarbeiter in Finnland, Singapur und Großbritannien. Das Unternehmen ist aktiv in der Forschung und arbeitet weltweit eng mit Universitäten, Forschungsinstituten und Firmen zusammen. Das breite Spektrum bei der LED Technik bietet Anbauern eine Belichtung, die Energie spart und die Produktion und Pflanzenqualität erhöht. Das zum Patent angemeldete breite Spektrum der Valoya-LEDs wird weltweit zur Produktion von Blumen, Gurken, Kopfsalat, Kräutern, Sämlingen und Algen eingesetzt. Nach Firmenangaben haben die verwendeten LEDs ein breiteres Wellenlängenspektrum als Andere.

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Rinnensystem von Green Automation
Schwerpunkt von Honka Holding, zu dem mittlerweile mehrere Gruppen zählen, ist die Produktion von Unterglas-Gemüse. In Finnland verfügt das Unternehmen über 7 ha Gewächshausfläche und hat seit 1991 ein Joint Venture mit einer 50 %igen Beteiligung in Tarto/Estonia mit 8 ha. Der Betrieb hat zwei Marken, die zu den führenden Nahrungsmittelmarken des Landeszählen. Eine dieser Marken steht für Champignons. 2005 gründete das Unternehmen „Green Automation“ für die Entwicklung neuer Gewächshaustechnologien. Das Tochterunternehmen Honkatarhat produziert in diesem Rinnensystem: In einem älteren Gewächshaustrakt werden Salate (Kopfsalat, Frisea, Rucola) und Kräuter in Rinnen mit Torfsubstrat kultiviert. In einem neueren Teil erfolgt die Kultur in Rinnen mit einem Hydroponiksystem auf Steinwolle. Das Rinnensystem erlaubt eine effiziente und weitgehend automatisierte Produktion.
Zunächst stehen die Rinnen eng zusammen und werden je nach Pflanzengröße während der Kultur auf Abstand gerückt. So durchlaufen sie das Gewächshaus, bis sie am Ende der Kultur automatisch zur Ernte in die Arbeitshalle fahren. Die Rinnen werden gereinigt, mit Steinwolle bestückt, für die Samenablage angeritzt und wieder neu besät.
Je nach Gattung und Sorte dauert die Kultur von der Aussaat bis zur Ernte 40 bis 55 Tage. Der Betrieb produziert eine Mio. Salat pro Woche. Laut Betriebs­leiter Hannu Pitkänen ist die Kultur in Steinwolle hygienischer und einfacher.

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Torf aus Finnland
Die Torfnutzung in Finnland hat eine lange Tradition. Ein Drittel des Landes besteht aus Torf- und Moorflächen. Auf weniger als 1 % der Fläche wird Torf abgebaut. Eine Mio. Finnen nutzen eine Mischung aus Holz und Torf zum Heizen. Die Torffläche wird auf 9,29 Mio. ha beziffert, rund 0,6 % davon oder 60.000 ha dienen der Torfproduktion. Weißtorf, der aus Sphagnummoosen entstanden ist, spielt eine wichtige Rolle bei Substraten für den Erwerbsgartenbau. Ein Unternehmen, das solchen Weißtorf abbaut und Substrate überwiegend für den Profigartenbau, aber auch den Hobbymarkt produziert, ist Kekkilä Garden an der Westküste Finnlands. 60 % der Produktion werden in rund 60 Länder exportiert. Neben den Substraten produziert das Unternehmen Düngemittel, die überwiegend in nördlichen Ländern vermarktet werden. Kekkilä ist Teil der Vapo Gruppe, einem der weltweit größten Torfproduzenten. Die Zugehörigkeit zur Vapo Gruppe erlaubt es dem Unternehmen, auf große Torfflächen in Finnland, Schweden und dem Baltikum zugreifen zu können. Auch ermöglicht dies, die eigene Kontrolle und ihr Know-how während der ganzen Produktionskette vom Rohstoff bis zum fertigen Sub­strat einzusetzen.
Produziert werden die Substrate in eigenen Werken in vier Ländern – für alle Bereiche wie Aussaaten, Jungpflanzen, Topf-, Beet- und Balkonpflanzen, Gemüse oder Forstgehölze angeboten.
Nach Firmenangaben wächst in Finnland jedes Jahr mehr Torf nach als abgebaut wird. In Zahlen bedeutet das einen Nachwuchs von 40 Mio. m3, dem ein Abbau von 30 Mio. m3 gegenübersteht. Nur etwa 10 % des abgebauten Torfes werden für den Gartenbau verwendet. Dieser wird streng kontrolliert und bedarf einer Genehmigung, die nicht erteilt wird, wenn der Abbau Auswirkungen auf ein geschütztes Areal in der Umgebung haben könnte. Das Unternehmen achtet nach eigenen Angaben auf die Umwelt und ist bestrebt, die Auswirkungen des Abbaus zu minimieren. Daher ist es auch ISO 14001 zertifiziert. Die ISO 9001 Zertifizierung sichert die Produktion nach einem Qualitätsmanagementsystem. Angeboten werden die Substrate als XL Bales, Maxi Bales sowie in 70 und 100 l-Säcken. Im Programm sind verschiedene Substrat-Linien.

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Marktführer bei organischen Düngern
Der Familienbetrieb Biolan entwickelte sich seit seiner Gründung 1974 zum Marktführer bei organischen Düngemitteln (Hühnerdung). Heute ist Biolan eine Gruppe mit verschiedenen Tochterunternehmen – eine davon ist Novarbo, welches im Bereich Klimasysteme für Gewächshäuser und auch im Torf- und Substrat-Sektor sowie organischen Düngemitteln tätig ist. Am Sitz in Eura verfügt das Unternehmen direkt neben der Substratproduktion über ein Labor mit Pflanzen. Hier werden Tests mit empfindlichen Pflanzen durchgeführt, um auszuschließen, dass die Substrate schädliche Stoffe enthalten. Zudem werden im Labor pH-Wert, EC und Volumengewicht gemessen, für Jahre gespeichert und Rückstellmuster von allen Partien genommen. Neben einem Standardsortiment bedient das Unternehmen den Kunden auch Spezialmischungen an. Abgepackt wird in 50 und 70 l-Säcke, 280 l-Press Bales und 4.000 bis 6.000 l-Big Bales. Am Hauptsitz hat das Unterneh- men eine Fläche von 15 ha und betreibt hier eine Kompostieranlage mit 3.000 m3, in der Holzfasern und Hühnerabfälle gemischt werden. Diese sind nach drei bis vier Monaten kompostiert.

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Neuheit: Gewächshauskühlystem
2007/2008 wurde viel über das geschlossene Gewächshaus diskutiert. Daraufhin hat Novarbo ein System zur Kühlung des Gewächshauses entwickelt und als Prototyp auf 500 m2 in einem Gartenbaubetrieb gebaut. Mittlerweile hat der Betrieb zweimal vergrößert, die dritte Erweiterung ist in Planung.
Das System leitet bei Überschreitung einer vorgegebenen Gewächshaustemperatur Wasser ins Gewächshaus und lässt dieses über Brausen von oben nach unten in einen Trichter fallen. Dabei entsteht eine Wasserwand, welche die Temperatur und auch die relative Luftfeuchte im Gewächshaus senkt. Das Wasser wird zum Kühlen nach draußen in ein Becken geleitet. Seitdem das System 2008 eingeführt wurde, wird ständig an der Weiterentwicklung gearbeitet. Beim Einsatz in Spanien stiegen die Erträge um 95 %, doch war die Investitionssumme dort nicht zurück zu erwirtschaften. Daher ist es wichtig, einen Markt zu haben, der höhere Preise akzeptiert. Dies ist in Finnland der Fall, da die Kunden hier regionale Ware bevorzugen.
Seit seiner Gründung ist das Unternehmen ständig gewachsen. 2012 liegt der Umsatz von Novarbo bei 9 Mio. Euro und jener von Biolan mit den übrigen Tochterunternehmen bei 30Mio. Euro. 20 % des Umsatzes werden in Finnland getätigt und die übrigen 80 % durch den Export. 

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OptoGrowia Interlight
Der vor 60 Jahren gegründete Gartenbaubetrieb Keskitalon Puutarha in Mynämäki produziert auf 1,8 ha Tomaten mit HPS toplighting von oben mit 200 bis 240 Watt pro m2. In einem bestimmten Teil des Gewächs­hauses wird mit OptoGrowia Interlight von Netled zwischen den Reihen gearbeitet.
Bei OptoGrowia Interlight handelt es sich um ein Netzgewebe, in das LEDs eingearbeitet sind. Ein Modul ist 25 m lang und 90 cm hoch. Es ist problemlos im Gewächshaus aufzuhängen und kann bei Bedarf, z. B. nach dem Wachstum der Pflanzen, höher gezogen werden. Eingearbeitet sind 82 % LEDs im roten und 18 % im blauen Spektrum. Belichtet wird mit 24 Watt pro m2.
Der Testbetrieb Keskitalon belichtete die Pflanzen in der Jungpflanzenphase zunächst intensiv blau und wechselte später zu rot. Die Steuerung der Intensität der Spektralfarben erfolgt über den Klimacomputer. Laut Netled ist der Ertrag im Versuchsbetrieb um 21 % gestiegen, doch seien noch viele Versuche nötig, z. B. welche Belichtung in der vegetativen und generativen Phase bei den verschiedenen Kulturen optimal ist. Auch könnte eine Überbelichtung die Pflanzen eventuell stressen.
Die Investitionskosten liegen bei etwa 130 bis 140 Euro pro m2. In Finnland wird mit einer Amortisationsdauer von 5–6 Jahren kalkuliert. Die Lebensdauer wird mit 40.000 Stunden oder acht Jahren angegeben. Netled hat in Finnland und in den Niederlanden zwei Gärtner, die mit OptoGrowia arbeiten. Bei Gurken hätten sich dabei auch Ertragssteigerungen von 30–40 % gezeigt, was aber vom Gewächshaus abhängig sei. „Die Preise für LEDs sind gesunken und die Leistung ist gestiegen. So haben neue Module die doppelte Leistung als noch vor zwei Jahren“, erklärt Niko Kivioja von Netled. Netled setzt LEDs von Osram ein.
Ein neueres Modell ist der Hortishine-luminare. Das Modul hat ein Maß von 2010 x 95 x 59 mm und wiegt 9,3 kg. Es ist für die Installation in einer Höhe von 80–150 cm über den Kulturen gedacht, hat eine Lichtintensität von 410 umol/s und eine Lebensdauer von 40.000 Stunden. Das Modul ermöglicht Gärtnern nach Angaben von Netled eine kosteneffiziente Belichtung großer Areale mit guter Lichtintensität bei geringem Schattenwurf. Zudem zeichnet sich das Modul durch eine uniforme Lichtstreuung aus. 

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Forschungen in Gewächshaustechnologie
MTT Agrifood Research Finland ist die führende Versuchsanstalt in Finnland und verfügt über verschiedene Standorte. In Kaarina beschäftigt sich das Institut mit moderner Gewächshaustechnologie zur Optimierung der Belichtung, des CO2, der Temperatur, der relativen Luftfeuchte, der Bewässerung, der Düngung und des Pflanzenschutzes.
Es arbeitet an Programmen bei Beet- und Balkonpflanzen und Poinsettien, wie Cool Morning und Warm Evening, um bei Erzeugung einer guten Pflanzenqualität zugleich Energie zu sparen. So zeigte sich bei Poinsettien bei einer Stunde Cool Morning und drei Stunden Warm Evening, dass kein Hemmstoff erforderlich war und 20 % Energie gespart werden konnte.

Forschungen mit Sphagnum

Ein Forschungsgebiet ist Sphagnum Moos und dessen Eignung als Kulturmedium. Hier laufen Versuche mit Gurken und Blattsalat. Bei den Gurkenversuchen in Wannen sind diese zur einen Seite mit Sphagnum und zur anderen mit Torfsubstrat gefüllt. Die Pflanzen können sich dadurch entscheiden, welches Substrat sie bevorzugen. Sphagnum ist mit einem pH-Wert von 5,65 nicht so sauer wie Torf und auch leichter. Beim Versuch zeigte sich, dass Gurken Nährstoffe aus dem festeren Substrat (Torf) und Wasser aus dem leichteren Substrat aufnahmen. Bei Verwendung der beiden Sub­wstrate zeigte sich bei Gurken ein um 20 % höherer Ertrag. Auch bei Tomaten war der Ertrag im Sommer etwas höher, doch wurden bei Paprika keine besseren Ergebnisse erreicht. Bei reinem Sphagnum war der Ertrag gegenüber reinem Torfsubstrat um 10 % geringer.
Weißtorf enthält mehr pflanzenverfügbares Wasser als Sphagnum, dafür enthalten sphagnumbasierende Substrate mehr Luft. Die Versuche zeigten, dass Tomaten und Gurken in Weißtorf und Steinwolle gleich gut wachsen, aber langsamer in Sphagnum riparium. Dagegen wuchsen Gurke und Tomaten in Sphagnum fuscum, Sphagnum magellanicum und in der Mischung beider Arten schneller als in Weißtorf. Salat wuchs in Steinwolle langsamer als in Weißtorf und schneller in allen auf Sphagnum basierten Sub­straten. Versuche mit Sphagnum als Wachstumsmedium werden unter anderem gemacht, da abgebaute Flächen sich in 30 Jahren erneuern, gegenüber 3.000 Jahren bei Weißtorf.