Ein Ansturm von Besuchern zeugte von der Aktualität des angebotenen Tagungsprogrammes. Auf dem Vormittagsprogramm standen in erster Linie die Vorstellung politischer und gesetzlicher Thematiken bzw. Neuerungen und deren Auswirkungen auf den Gemüsebau. Am Nachmittag wurden Thematiken aus der Marktforschung sowie aktuelle Statistiken des EU-weiten Gemüsemarktes vorgestellt. Einen Höhepunkt des Tages stellte sicherlich die Podiums- und Publikumsdiskussion zum Thema „Nachhaltig produzieren für den Handel“ dar, welche mit Vertretern aus unterschiedlichen Fachrichtungen geführt wurde.
GMO für Obst und Gemüse nach 2013
DI Michaela Schwaiger vom Lebensministerium – Abteilung Obst, Gemüse, Sonderkulturen – stellte unter dem Thema „Die gemeinsame Agrarpolitik und gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse nach 2013“ die aktuelle Bestandslage der Marktordnung für Obst und Gemüse vor. Wesentliche Reformschwerpunkte wurden bereits in den Jahren 2007 und 2008 mit einer Anpassung an die damaligen GAP-Reformen sowie mit einer Integration in die gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse vorgenommen. Derzeit sind noch keine wesentlichen weiteren Veränderungen in der bestehenden Marktordnung für Obst und Gemüse vorgesehen, da viele Zielsetzungen für die GAP 2013 bereits in der derzeitigen Marktordnung verankert sind.
Pflanzenschutzmittelgesetz 2011
Über die Auswirkungen des EU-Pflanzenschutzmittelpakets und des neuen Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 auf den Gemüsebau informierte Matthias Lentsch vom Lebensministerium – Abteilung Pflanzenbau. Das Pflanzenschutzmittelrecht der EU wurde bereits mit der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln geregelt. Nach dieser Verordnung wird die europäische Union in die drei Zonen Nord-, Mittel- und Südeuropa eingeteilt. Innerhalb dieser Zonen können die Pflanzenschutzmittel (PSM) aller der Zone zugehörigen Mitgliedsstaaten erworben werden. Somit wird eine raschere Erwerbbarkeit von neuen und umweltfreundlicheren Produkten sichergestellt. Die Verordnung wird ab 14.6.2011 in allen Mitgliedsstatten wirksam. Das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 wird mit Inkrafttreten das bisher in Österreich geltende Pflanzenschutzmittelgesetz von 1997 ersetzen. Mit dem neuen Pflanzenschutzmittelgesetz müssen auch für die Ausführungsgesetzgebung auf Landesebene Novellierungen bei den Landesgesetzen durchgeführt werden. Neu kommt eine Richtlinie 2009/128/EG über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden hinzu. Zu diesen Maßnahmen zählen u. a. die Fort- und Weiterbildung der Landwirte, eine regelmäßige Kontrolle der Pflanzenschutzgeräte, spezifische Maßnahmen zum Umweltschutz sowie die geeignete Handhabung und Lagerung von Pflanzenschutzmitteln. Ein „nationaler Aktionsplan Pflanzenschutzmittel“ muss erstellt werden. Die Richtlinie 2009/128/EG muss dann bis 26. 11.2011 in österreichisches Recht umgesetzt werden. Lentsch merkte an, dass dem Vorteil eines zukünftig erleichterten Zuganges zu Pflanzenschutzmitteln jedoch Einschränkungen in der Produkt- und Wirkstoffpalette gegenüberstehen würden. Weiters kommen mit den gesetzlichen Neuerungen detaillierte Aufzeichnungspflichten, eine Kontrollmöglichkeit durch Dritte sowie eine wiederkehrende Prüfung der Pflanzenschutzgeräte auf die grüne Branche zu.
Ausländerbeschäftigung
Welche Konsequenzen mit der Öffnung zum freien Arbeitsmarkt – dieser gilt für alle im Jahr 2004 beigetretenen EU-Länder ab 1.5. 2011 – für die Beschäftigungssituation von Saisonarbeitskräften und Erntehelfern in Österreich einhergehen, darüber informierte Dr. Hermann Deutsch vom BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Ab 1.5. gelten Kontingente folglich nur mehr für die EU-Länder Rumänien und Bulgarien sowie für alle Drittstaaten. Arbeitskräfte aus den EU-Mitgliedsstaaten müssen bevorzugt aufgenommen werden.
Es wird jedoch ein eigener Pool für Stammsaisoniers aus Drittländern eingerichtet. Saisoniers, die bereits fünf Jahre hindurch in Österreich gearbeitet haben, können beim AMS um eine Registrierung als Stammarbeiter ansuchen. Der Unternehmer wiederum kann um eine Beschäftigungsbewilligung für den betreffenden Arbeiter ansuchen. Diese Regelung wird mit einer einhergehenden Kontingentverringering ab Mai/Juni 2011 gültig. Die Kontingente für Erntehelfer bleiben hingegen gleich. Neu hinzu kommt eine Erweiterung bei den Beschäftigungsmöglichkeiten für ausländische Studenten und Studienabsolventen.
Mit dem neuen Ausländerbeschäftigungsgesetz sind außerdem erweiterte Betretungs- und Einsichtsrechte durch die KIAB sowie Strafen bei Unterentlohnung verbunden. Im Gartenbau hofft man, dass die Arbeitskräfte in Zukunft trotz freier Wahlmöglichkeit in der Branche bleiben.
Trends am Gemüsemarkt – Kundenwünsche
Welche Wünsche, Vorstellungen und Präferenzen Kunden zu den Angeboten am Gemüsemarkt äußern, erörterte Dr. Sophie Karmasin von der Karmasin Motivforschung, Wien. Ihre Studie ergab, dass in unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren ein Bewusstseinswandel stattgefunden hat und der Zusammenhang zwischen verantwortungsbewusster Ernährung und Gesundheit erkannt wird. Als Ergebnisse einer weiteren Untersuchung zum Wert des Begriffes „Qualität“ aus der Perspektive des Konsumenten ermittelte Karmasin die Aspekte Gesundheit, Regionalität und Bio auf der Prioritätenliste der Kundenpräferenzen. Das Bewusstsein für nachhaltig produzierte Produkte und der Wunsch nach einem vielfältigen Angebot stehen dabei an oberster Stelle.
Status Quo auf dem EU-Gemüsemarkt
Wie sich der Absatz von Gemüse in der Realität verhält, erklärte Dr. Hans-Christoph Behr von der Agrarmarkt Informations-GmbH, Deutschland. Unter dem Motto „Trends am Gemüsemarkt – Status Quo, Tendenzen und Trends“ bot Behr einen statistischen Überblick über die Produktionsverhältnisse sowie Import- und Exportdaten im EU-weiten Raum. Die meisten Exporte finden innerhalb der EU statt. Italien und Spanien sind mit je 12 Mio t die wichtigsten Produzenten. Nur etwa 3% der Exporte bewegen sich außerhalb des EU-Raumes. Der wichtigste Importmarkt für Fruchtgemüse innerhalb der EU ist Deutschland. Als begehrtestes Gemüse EU-weit wird die Tomate produziert, gefolgt von der Zwiebel und der Karotte. Die Handelsströme zeigen ausgehend von Spanien eine starke Ausrichtung nach Norden. Ein weiteres relevantes Exportland für Gemüseprodukte sind die Niederlande.
Bei den Gemüse produzierenden Unternehmen ist generell ein enormer Strukturwandel weg vom kleinstrukturierten Unternehmen hin zu Großbetrieben zu verzeichnen.
Tiefkühlgemüseerzeugung
Wie sich die Tiefkühlgemüseverarbeitung in Österreich und der EU weiterentwickelt, erkärte Bernard Haspeslagh, Vorstandsmitglied der Ardo-Gruppe, Ardooie/Belgien. Haspeslagh zeigte in einer Übersicht über den europäischen Markt die EU-weite Verteilung der 15 Firmenstandorte und deren Produktionsvolumen sowie die einzelnen Anbaugebiete und deren Anteil an produzierten Gemüsesorten auf. Das jährliche Wachstum auf dem Tiefkühlgemüsemarkt ermittelte er mit 1–3%, wobei insbesonders Österreich aufgrund seines hohen Technologisierungsgrades, seiner günstigen klimatischen Verhältnisse und möglicher Förderbezüge noch ein großes Potenzial zur Verfügung habe. Österreich ist in der Produktion für die Tiefkühlgemüseverarbeitung insbesonders beim Anbau der klassischen Gemüsesorten wie Spinat, Erbsen, Bohnen, Zwiebeln und Karotten an führender Stelle.
Nachhaltig produzieren für den Handel
Einen Themenschwerpunkt der Veranstaltung stellte sicher die zum Abschluss des Fachtages durchgeführte Podiums- und Publikumsdiskussion zum Thema „Nachhaltigkeitslabel für den Handel“ dar. Die Vortragenden, welche aus der Nachhaltigkeitsforschung, der Gemüseproduktion, dem Gemüsebauverband und dem Handel kamen, diskutierten mögliche Methoden einer Harmonisierung und Vereinfachung von Prüfparametern, welche für eine praktische Umsetzbarkeit des Labels notwendig sind.
Einleitend gab Eva Burger von der SERI-Nachhaltigkeitsforschungs- und -kommunikations GmbH eine kurze Vorstellung möglicher Quantifikationsmethoden für den Umweltverbrauch bekannt wie z. B. den bekannten Carbon Footprint oder den Wasserrucksack. Die Schwierigkeit einer Messung ergibt sich aus der komplexen Wertschöpfungskette, die kontinuierlich durch Indikatoren überprüft werden muss. Burger bekräftigte die Notwendigkeit einer Meßbarkeit von nachhaltiger Produktion, da es sich bei Nachhaltigkeit um einen langfristigen Bewusstseinswandel handelt.
Gerald König, Vorstand der LGV Frischgemüse Wien, plädierte für eine einheitliche Zertifizierung durch ein unabhängiges Organ, um eine vernünftige Anwendbarkeit der Nachhaltigkeitskriterien in der Praxis sicherstellen zu können.
Martin Merschl, Produzent von Rispenparadeisern und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der LGV Frischgemüse Wien bezog sich auf die Produktionsverfahren in seinem Betrieb, welche bereits seit Generationen das Prinzip der Nachhaltigkeit verfolgen und sich auf gerade dieser Basis weiterentwickeln.
Johann Rohringer, Präsident des Bundesgemüsebauverbandes Österreich, sprach von schikanösen Richtlinien, die sich durch die Ökologisierung des Nachhaltigkeitsbegriffes ergeben würden. Branchenfremde Handelspartner und NGO s geben dabei oft Richtlinien vor, die mit Nachhaltigkeit in keinem Zusammenhang mehr stehen und folglich auch praktisch nicht mehr umsetzbar seien.
Die bürokratischen Auflagen werden darüberhinaus zu umfangreich, kleine Betriebe würden sterben, wenn man diese Linie so weiterverfolgt. Rohringer sprach für eine verantwortungsvolle und kontrollierbare Produktion, die sich zum AMA-Gütesiegel bekennt.
Werner Wutscher, Vorstandsmitglied der REWE Group Austria/ Wien ging auf die Problematik der Differenz zwischen Produzent und Konsument ein. Die zunehmende Verstädterung und Naturentfremdung des Konsumenten lässt den Nachhaltigkeitsaspekt zu einem Ersatzwert anwachsen, welchem eine extrem hohe Bewertung zukommt. Der Konsument wünscht sich immer mehr Information und Transparenz. Daraus resultiert für die Verantwortlichen, die Fragestellung, wie sich ökologische, ökonomische und soziale Kriterien überprüfen lassen, und wie sich für die konventionelle Landwirtschaft in Österreich Wettbewerbsvorteile erzielen lassen.
Auch KDir. Robert Fitzthum von der LK Wien sprach abschließend von der Notwendigkeit einer Transparenz. Man müsse sich weg von betrieblichen Daten und hin zu Modellberechnungen bewegen, um sinnvolle Daten zu erzielen. Weiters sollten Kontrollen zusammengelegt und in der Anzahl reduziert werden. Ing. Franz Windisch, Präsident der Landwirtschaftskammer Wien, bezeichnete die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich als einen ohnehin seit jeher nachhaltigen Wertschöpfungsprozess, dem auch auf praktikabler Ebene mit entsprechender monetärer Wertschätzung entgegengekommen werden muss. „Mehr Geld für mehr Leistung“, brachte Windisch die aktuelle Problematik auf den Punkt. Die Tagung endete mit der Forderung an den Lebensmittelhandel, sich gemeinsam mit den Interessenverbänden an der aktuellen Ausarbeitung einheitlicher und praxistauglicher Regelungen zu beteiligen.