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© DI Ulrike Fassler

Alle lernen von allen

Ein Artikel von DI Ulrike Fassler | 17.03.2009 - 14:13
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Seit 15 Jahren gibt es sie mittlerweile, die Akademie für Naturgestaltung unter der Leitung von Franz Josef Wein. Gärtner+Florist hat Wein zu Beginn des neuen Ausbildungslehrganges im Stift Zwettl besucht und sich mit ihm über die Entwicklungsgeschichte und Ziel­setzung der Akademie unterhalten.

Gärtner+Florist: Würden Sie uns einen kurzen Rückblick über die Entstehungsgeschichte der Akademie vermitteln?
Wein: Die Akademie für Naturgestaltung hat sich im Laufe der Jahre zu einer privatisierten Meisterausbildung entwickelt. Wir wollten unabhängig sein von zu starkem wirtschaftlichem Interesse durch geförderte Organisationen. Seit 2004 unterrichten wir hier im Stift Zwettl. Die Ausbildung wird innerhalb von zwei Jahren in vier Blöcken zu jeweils zwei Wochen durchgeführt. Die Meisterprüfung erfolgt separat im Ausmaß einer Woche, und die Beurteilung wird durch eine gesonderte Kommission vorgenommen.

Voraussetzung für das ­Lernen voneinander ist es, einander mit Respekt zu begegnen

Pro Ausbildungsblock wird ein Thema behandelt. Als Einstiegsthema beschäftigt sich der erste Block mit elementaren Techniken. Die Gestaltungsthemen der weiteren drei Blöcke heißen „Trauerkranz und Gefäße mit Blumen“, „Strauß und gepflanzte Gefäßfüllung“ und „Brautschmuck“.

Gärtner+Florist: Welche Philosophie vertreten Sie beim Unterricht?
Wein: Ich orientiere mich beim Unterrichten am Vorbild der platonischen Akademie. In der humanistischen Grundhaltung gilt als Idealform des Lernens das Lernen voneinander und das Akzeptieren des anderen als Individuum. Alle lernen von allen. Voraussetzung dafür ist es, einander mit Respekt zu begegnen. Je freier ein Mensch ist, desto leichter kann er seine Individualität entsprechend gestalten. Bildung und Wissen befreit, deshalb widme ich auch einen großen Anteil des Unterrichts der allgemeinen Ausbildung.

Mensch und Pflanze müssen im Zugang zueinander ­Sensibilität zeigen

Ich unterrichte alle Unterrichtsfächer mit Ausnahme des Faches Naturkunde.Der Unterricht setzt sich zusammen aus Fächern wie allgemeine und spezielle Gestaltung, Farbenlehre, Stilkunde und Fachskizze. Zu den wirtschaftlichen Fächern zählen Kalkulation und Marketing. Im Praxisunterricht werden parallel zum theoretischen Unterricht die erlernten Kenntnisse zugleich umgesetzt. Das ist mir sehr wichtig, damit das theoretische Wissen auch sofort verinnerlicht wird.
Für die Zeiten zwischen den Blöcken, welche im Rhythmus von drei bis vier Monaten abgehalten werden, sind Hausaufgaben vorgesehen. Der gesamte theoretisch erlernte Stoff des abgeschlossenen Blocks soll durch Anfertigung eines Werkstücks nochmals vertieft werden.

Gärtner+Florist: Welche Gedanken hegen Sie zu den Themen Pflanze-Natur-Kunst-Gestaltung?
Wein: Ich orientiere mich an allem, was „pro Leben“ ist. Ansätze aus dem Buddhismus und die spirituelle Naturphilosophie eines Franz von Assisi sind mir ebenso Vorbilder wie jegliche ökologische Gesinnung. Es ist mir wichtig, dass Mensch und Pflanze bei der Gestaltung Zugang zueinander finden, dass sie zu einem gestalterischen Endergebnis kommen und dass nicht gegen den Willen des Materials gearbeitet wird. Kurz – beide müssen im Zugang zuei­nander Sensibilität zeigen.

Je offener man sich gegen­über allem verhält, desto stärker empfängt man auch Neues aus der Umgebung

Gärtner+Florist: Woraus schöpfen Sie Ihre Inspirationen?
Wein: Inspiration ist ganz einfach alles. Sowohl ein Spaziergang, ein Museumsbesuch als auch ein zweistündiger Aufenthalt in einem Kaffeehaus können als Inspirationsquelle dienen. Je offener man sich gegenüber allem verhält, desto stärker empfängt man auch Neues aus der Umgebung.
Um sich weiterzuentwickeln, ist es ei­nerseits notwendig, das kleine eigene Umfeld zu sprengen, um seinen Horizont zu erweitern. Zuletzt jedoch muss man wieder in das vertraute Zuhause zurückkehren können.In die eigene Mitte zurückzufinden ist für die persönliche Reifung notwendig. Ich lege Wert darauf, dass wir untereinander mit Offenheit begegnen und einander wechselseitig bestärken und bestätigen.

Gärtner+Florist: Welche Botschaft möchten Sie an Ihre Leser weitergeben?
Wein: Ich möchte die Leser animieren, weitergeben, in unserem Berufsstand ein berechtigtes und gesundes Selbstwertgefühl zu leben. Ich wünsche mir das Bewusstsein für den Berufsstand, eine wichtige Branche zu sein, auf die wir stolz sein können. Die Floristen sollen sich selbst als bedeutungsvoll einschätzen und mit der größten Rücksichtnahme auf Mensch und Pflanze ihrer Berufung nachgehen.