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Wege aus dem Paragraphendschungel

Ein Artikel von DI David Scheurich | 18.02.2008 - 00:36
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Ein Kunde hat bei mir 20 Rosen für ein Beet gekauft, doch nach sechs Monaten stellt er fest, dass 10 davon in einer anderen Farbe blühen. Bei der Beanstandung erwartet er nicht nur gleichwertigen Ersatz, sondern 10 Rosen der nächsten Größe. Schließlich will er ja, dass das Beet gleichmäßig bepflanzt ist. Hat er ein Anrecht darauf?“Von Zwischenmeldungen wie dieser ließ sich Egon Lokay nicht aus der Ruhe bringen. „Danke für die Frage. Spielen wir es doch einfach mal durch!“

Wichtigste Fragen aus Käufersicht
„Zunächst muss geklärt werden, ob ein Mangel vorliegt, der bei der Übernahme schon vorhanden war. Nur dann ist es im Rahmen der Gewährleistung. Das ist hier klar der Fall. Schließlich hat der Kunde nicht das Produkt erhalten, was vertraglich vereinbart war. Weiters ist zu klären: Wird die gekaufte Sache bzw. Leistung selbst beanstandet oder hat der Kunde einen Folgeschaden? Hier trifft beides zu.“

Laut Lokay sei aus Verkäufersicht dann vor allem auf zwei Dinge zu achten: „Sind die Fristen gewahrt? Und gibt es hier mögliche Einschränkungen?“ Laut Gewährleistungsrecht gilt im Verkäufer-Konsumenten-Geschäft eine zweijährige Frist auf bewegliche Sachen, bei unbeweglichen sind es drei. Aber Vorsicht: Durch die Arbeit an einer unbeweglichen Sache (ein Fachmann montiert einen Ziegel aufs Hausdach oder pflanzt einen Baum in den Garten) gilt automatisch die dreijährige Frist.

Lebenserfahrung
Innerhalb der ersten sechs Monate nach Vertragsabschluss liegt die Beweislast beim Verkäufer, also muss er beweisen, dass die Sache mangelfrei übergeben wurde. Allerdings gibt es auch hier Einschränkungen. „Bringt ein Kunde nach vier Monaten eine Brille aufgrund eines Kratzers zurück, wirft die Lebenserfahrung vor allem eine Frage auf: Warum erst jetzt? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass der Mangel erst vor kurzem entstanden ist?“

Ausnahmen
Knifflig wird es vor allem dann, wenn ein Mangel innerhalb der Frist gar nicht erkannt werden kann, aber schon bei Übernahme vorhanden war. Als Beitrag bringt ein Zuhörer das „Pfirsichbeispiel“ in die Diskussion mit ein. Hier trugen die Bäume erst nach vier Jahren Früchte und offenbarten damit die falsche Sorte. Dazu Lokay: „Dies wäre dann schon eine Schadensersatzfrage aufgrund Ernteeinbußen. Da beträgt die Frist 30 Jahre, allerdings muss dies der Geschädigte nach der Erkennung innerhalb von drei Jahren melden.“

Unternehmergeschäft
Lokay wies deutlich darauf hin, dass alle genannten Fristen ausschließlich im Konsumentengeschäft verbindlich seien. Anders verhält es sich nämlich im Unternehmergeschäft. „Zwischen Ihnen und Ihren Lieferanten herrscht hier relative Vertragsfreiheit. Dies gilt auch für die Fristen, die deutlich kürzer ausfallen können.“ Gerade über Liefermodalitäten wurde daraufhin eifrig diskutiert. Lokay gab hier eine klare Empfehlung: „Bei Lieferscheinen ist häufig von einer Bestätigung der mangelfreien Übernahme die Rede. Da bietet sich die Formulierung an: Mit Vorbehalt übernommen - Unterschrift.“ Rechtlich bestehe beim Empfänger sowieso die sogenannte „Untersuchungs- und Rügepflicht“. Üblicherweise ist dann innerhalb von 10 bis 14 Tagen eine Beanstandung möglich. Diese sollte unbedingt schriftlich erfolgen.

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© DI David Scheurich

Stufen der Gewährleistung
Was den Anspruch der Gewährleistung betrifft, so unterscheidet man zwischen zwei Stufen. Die erste Stufe besteht normalerweise in der freien Wahl zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung. Im Falle der zehn Rosen ist wie in vielen Fällen eine Nachbesserung nicht möglich. Gleiches gilt bei einem unverhältnismäßig hohen Aufwand (z. B. doppelte Kosten) für den Übergeber.

Die nächst höhere, zweite Stufe besteht aus den Optionen Preisminderung und Wandlung. Unter Wandlung versteht man die Aufhebung des gesamten Verkaufs (Geld zurück), bei nur geringen Mängeln hat der Kunde darauf kein Anrecht.

Folgeschäden
Für den Ersatz bei Folgeschäden spielt neben Verursachung und Rechtswidrigkeit das Verschulden eine zentrale Rolle. Da der Vorsatz eher die Ausnahme darstellt, unterscheidet man meist zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit. Im Normalfall liegt die Beweislast beim Geschädigten. Anders sieht es aus, wenn die Hinweis- und Sorgfaltspflichten nicht eingehalten wurden. Ein einfaches Beipiel stellt der vom Kunden zu tief eingepflanzte Obstbaum dar, der durch Staunässe abstirbt. Wurde dieser Baum geliefert und der Fachmann hätte die fehlerhafte Pflanzung bemerken müssen, so hat er hier klar seine Hinweispflicht nicht erfüllt.

Strittiger ist da schon die verpflichtende Beilage einer schriftlichen Anleitung. Lokay dazu: „Sollte so ein Fall vor Gericht kommen, wird immer von Fall zu Fall entschieden. In diesem Beispiel etwa, ob man das Pflanzen eines Baumes einem Durchschnittsbürger zutrauen kann.“Lokay sieht das Dilemma eher als Chance: „Gerade in Ihrem Geschäft ist eine Beschreibung oder ein Folder doch eine wunderbare Zusatzleistung. Damit sind Sie nicht nur auf der sicheren Seite, sondern bieten auch ein super Service. Das gilt vor allem bei Produkten, die eventuell eine Gefahr für Leib und Leben darstellen können!“

Produkthaftung
Unter Produkthaftung fallen vor allem gesundheitliche Schäden von Menschen durch das Produkt. Reine Vermögensschäden oder entgangener Gewinn sind nicht betroffen, daher werden hier vor allem Konsumenten und nicht Unternehmer geschützt. Klassisches Beispiel stellt z. B. der Gartenteich mit der Ertrinkungsgefahr für Kinder dar. Wenn das Produkt nicht die Sicherheit aufweist, die man erwarten kann, kommt die Produkthaftung zum Tragen. Dabei muss auch mit naheliegendem Missbrauch gerechnet werden.

Im Falle des Teichs ist während der Bauphase auf eine entsprechende Absperrung zu achten. Ein zusätzlicher Hinweis über Gefahren wie rutschige Folien etc. kann niemals schaden.Lokay schlägt hier wieder einen Mittelweg vor: „Natürlich ist es günstig, sich abzusichern. Allerdings scheint es mir geschickter, dies ansprechend zu präsentieren, etwa in einem gemeinsamen Folder über Pflege, Pflanzenwahl und Sicherheit. Dann wird es auch eher wahrgenommen, als wenn man sich nur auf einem Dokument die Erfüllung der Hinweispflicht bestätigen lässt.“

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© DI David Scheurich

Vielseitige Baumschultagung
Neben dem heiß diskutierten Thema Gewährleistung kamen auch andere Aspekte zur Sprache. Im allgemeinen Teil stellte Alfred Weber ein neues Datenerhebungsblatt für die Mitglieder der Fachsektion Baumschulen und Staudengärtner vor. Die abgegebenen Daten über Fläche, Arbeitskräfte, Lehrlinge etc. sollen vor allem eine Grundlage für die nächsten Lohnverhandlungen darstellen. Außerdem bestätigte Weber, dass im Bereich der Werbung in Zukunft keine Mehrwertsteuerrechnungen mehr über das Blumenbüro abgewickelt werden, sondern über ein kostenloses Konto des Garten-Bau-Centrums Wels.

Bäume in der Stadt
Andreas Roloff von der Universität Dresden stellte in seinem Vortrag die Rolle von Stadtbäumen heraus. Neben großen Verdiensten wie Schutz-, Orientierungs- und Gestaltungswirkung räumte er aber auch mit einigen klassischen Klischees auf. So wird in manchen Quellen behauptet, ein Baum produziere den Sauerstoff für 13 Menschen. Aufgrund von Atmung und Zersetzung ist aber die Bilanz über das gesamte Baumleben betrachtet nahezu ausgeglichen.

Bei der CO2-Bindung ist aufgrund von Abbauprozessen ebenfalls ein großes Altersgefälle vorhanden. Als Abbaurichtwert in einem dichten und jungen Bestand bezifferte Roloff eine Menge von 10t CO2/ha und Jahr. Scherzhaft wurde aus dem Publikum darauf ein Verkauf von Emissionszertifikaten von Baumschulen in naher Zukunft vorgeschlagen.

Feinstaub und Bäume
Auch beim Feinstaub bat Roloff um eine differenziertere Betrachtung. Der generellen Behauptung, Bäume filterten den Feinstaub, könne er nur begrenzt etwas abgewinnen. Mittlerweile gäbe es detaillierte Vergleiche zwischen unterschiedlichen Stadtbäumen. Die ursprüngliche Vermutung, dass eine Blattbehaarung die Aufnahmefähigkeit erhöhe, habe sich durchaus bestätigt. Allerdings sei das Filterpotenzial ohne Selbstreinigung wertlos und führe in extremen Fällen sogar zum Absterben der Bäume. Selbstreinigend seien z. B. Platane und Silberpappel, welche sich u. a. den Lotuseffekt zunutze machten, der das Abspülen der Blätter bei Regen unterstütze.

Schilfmatten als Rindenschutz
Als neuesten Stand beim Rindenschutz nannte Roloff die Verwendung von Schilfmatten. Vor allem nach dem Herausnehmen aus dem geschützten, engen Baumschulbestand in eine solitäre Stellung leiden dünn- und dunkelrindige Arten wie Ahorn und Linde häufig an verhängnisvollen Sonnenbränden. Die Schilfmatten bieten durch ihre langsame Auflösung innerhalb von drei bis fünf Jahren eine gute Starthilfe mit schrittweiser Adaption an die Strahlung und schützen somit vor Nekrosen.

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© Heike Fischer

Probleme zwischen Mensch und Baum
Anhand deutlicher Fotos klagte Roloff die Baummisshandlung in Form von Kappungen und unsachgemäßen Schnittmaßnahmen an. Aber auch ein übertriebenes Beharren auf Baumschutzrichtlinien erregt seinen Unmut. Plakatives Beispiel ist hier eine alte Buche auf Usedom. Um sie nicht zu fällen, wurde ein Gebäude mit 80.000 E Mehrkos-ten um den Baum herum gebaut. Dies allerdings so eng, dass fünf Jahre später der Baum nicht mehr lebte. Roloff dazu: „Ein typisches Vorgehen in der heutigen Gesellschaft. Von dem Geld hätte man eine wunderbare Neupflanzung rund um das Bauprojekt finanzieren können.“

Sechs Schritte zur Kundenbindung
Knut Steffen aus Würzburg gewährte Einblicke in seine Erfahrung als Marketingberater. Zur Kundenbindung seien eigentlich nur sechs Schritte zu beachten. Über Sortiment und Qualität könne man seine Produkte aus der Vergleichbarkeit mit Billigstbietern bewegen und so den Wunsch der Kunden nach einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis befriedigen.

Als Zweites sei die persönliche Kundenbindung durch individuelle Kontaktaufnahme und Beratung der Schlüssel zum Erfolg. Kostenloses Service (Sitzecken, Einladehilfen, etc.) und kostenpflichtige Dienstleistungen (Lieferung, Pläne, etc.) würden das Bild dann noch abrunden. Durch Aktionen wie Kundenkarten könne man die Kunden dann immer wieder in den Betrieb bringen und durch die gesammelten Daten auch mit ihnen in Kontakt bleiben und sie gezielter ansprechen.