1202130578.jpg

© DI Wolfgang Palme

Spinate – bunt statt grün

Ein Artikel von DI Wolfgang Palme | 04.02.2008 - 14:15
1202130578.jpg

© DI Wolfgang Palme

Gekochte Blätter gehören zu den ältesten pflanzlichen Lebensmitteln der Menschheit. In neuerer Zeit ist der Spinat allerdings aus der Mode gekommen. Wir assoziieren damit Arme-Leute-Essen, Notzeiten und ein paar unangenehme Kindheitserinnerungen.
Der Jahresschwerpunkt 2007 bot Gelegenheit, den Spinat wieder neu zu entdecken. Mehr als 70 verschiedene Arten wurden an der Versuchsaußenstelle Zinsenhof angebaut und geprüft. Beim Herbstgemüsetag am Zinsenhof und im Rahmen der Schönbrunner Seminare konnten sie besichtigt werden.

Buntes Programm
Durch Vorträge, Verkostungen und kulinarische Präsentationen konnte den mehr als 70 Multiplikatoren entlang der Lebensmittelkette, die an den Veranstaltungen teilnahmen, ein fachlich fundierter Einblick in diese vielfältige Gemüsegruppe geboten werden. Die Geschichte des „Spinates“ begann bei uns, so referierte der Qualitätsberater DI Helmut Reiner, lange bevor der echte Spinat (Spinacia oleracea) überhaupt bekannt war. Denn dieser stammt samt seinem Namen („ispanag“) aus dem alten Persien und kam erst im späten Mittelalter über die Araber nach Spanien und damit nach Europa.

Alte Spinatarten wurden verdrängt
Davor nutzte man hierzulande eine Vielzahl an Blattgemüsearten wie Gartenmelde, Mangold oder Portulak als Kochgemüse. Nach seiner erfolgreichen Einführung fand der echte Spinat bei uns sehr rasche Verbreitung und verdrängte die alten Spinatarten, die nicht annähernd so ertragreich waren. Diese konnten sich allerdings lange noch in einer Nische halten: nämlich während der Sommermonate, wo der echte Spinat als Langtagpflanze in Blüte ging und damit nicht nutzbar war.
Durch die Einführung der Tiefkühlindustrie im 20. Jahrhundert und durch die Erfolge der Pflanzenzüchtung, die tagneutrale Sorten entwickelte, wurde eine ganze Gruppe von Spinatersatzgemüsen dann endgültig arbeitslos und geriet in Vergessenheit.

Anbau im Marchfeld
Dr. Johann Zahrl bot für Iglo einen Überblick über den professionellen Anbau von Spinat, der in Österreich fast ausschließlich im Vertragsanbau mit der Tiefkühlindustrie erfolgt.

Das Marchfeld mit seinen tiefgründigen, gut strukturierten Schwarzerdeböden bietet hier die besten Möglichkeiten. Eine weitgestellte Fruchtfolge – Spinat wird meist in landwirtschaftlichen Betrieben produziert, wobei darauf zu achten ist, dass zu Zuckerrüben und Kartoffeln (Durchwuchs!) Abstand gehalten wird – sowie eine pflanzengerechte Düngung und Bewässerung sind Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kultur.

1202130502.jpg

© DI Wolfgang Palme

Von der Düngung bis zur Ernte
Der Reinstickstoffbedarf von 120-160 kg/ha wird durch eine Aufteilung der Gabe, die Hälfte vor der Saat, der Rest als Kopfdüngung 3-4 Wochen vor der Ernte, gedeckt. Da in den vergangenen zwei Wochen vor der Ernte der Hauptteil der Pflanzenmasse gebildet wird (70-80 %), besteht in dieser Zeit auch der größte Bewässerungsbedarf.
Ca. 5 mm sollten der Kultur pro Tag gegeben werden. Pflanzenschutzprobleme können durch den Falschen Mehltau, durch Virosen und Blattläuse entstehen. Die großflächige Ernte und industrielle Verarbeitung erfordert auch einen absolut unkrautfreien Bestand. Da die chemischen Möglichkeiten der Krankheits- und Schädlingsbekämpfung begrenzt sind, ist auf eine gute Sortenwahl und eine nachhaltige Fruchtfolge zu achten.

Geerntet wird mit speziellen, umgebauten Mähdreschern bei Schossbeginn, wenn die maximale Blattmasse bei minimalem Stängelanteil erreicht ist. Durch einen Nitratcheck wird gewährleistet, dass die Ware < 2000 ppm Nitrat enthält. Kurze Transportwege und eine rasche Verarbeitung sollen sicherstellen, dass die Qualität bestmöglich erhalten bleibt. Es gibt eine Faustregel, die besagt: Stunden x Temperatur < 100.

Wertvolle Inhaltsstoffe
Spinat kann als Brainfood, als grüne Nahrung fürs Gehirn, angesehen werden, erklärte Dipl. DA Edith Kubiena. Dafür ist der Gehalt an Folsäure, Vitamin E und C sowie an Kalzium, Kalium und Magnesium verantwortlich.
Übrigens: Der extrem hohe Eisengehalt von 35 mg/100 g, der sich immer noch hartnäckig in der Literatur findet, geht auf einen Abschreibefehler zurück. Statt auf Tro–ckenmasse wurde dieser Wert einmal irrtümlich auf Frischmasse bezogen und infolge immer wieder falsch abgeschrieben. In Wahrheit sind in Spinat ca. 3-4 mg Eisen/100 g enthalten, die in unserem Körper leider nicht gut resorbierbar sind.

Mehr Vielfalt auf den Teller
Einen spannenden Einblick in die Welt der Spinatvielfalt gewährte Ing. Georg Schramayr vom Institut für Naturvermittlung und Naturschutzconsulting, der von Gänsefußgewächsen wie dem weißen Gänsefuß, dem Erdbeerspinat, der Melde oder dem Guten Heinrich, von Amaranthen, Blattmalven und sogar von Laubbaumblättern berichtete, die allesamt als (Wild-)Spinate nutzbar sind. Für Farben- und Geschmacksvielfalt ist dabei gesorgt.
Eine Wiederentdeckung mancher dieser „Spinatexoten“ als innovative Tiefkühlprodukte oder als Frischprodukte in der Direktvermarktung erscheint durchaus als interessant. Auch in der gehobenen Gastronomie besinnt man sich wieder der Ursprünge der Gemüsenutzung und experimentiert mit alten Blattgemüseraritäten aus Großmutters Garten.