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Alles Klar?

Ein Artikel von Ing. Helmut Hohengartner | 14.09.2006 - 14:56
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Die Preiskalkulation bei Schnittblumen im Detailverkauf ist in der Praxis keine Hexerei. Üblicherweise wird ein festgelegter Aufschlagssatz angewendet, mit dem der Einkaufspreis multipliziert wird. Wenn man genau ist, achtet man noch darauf, ob der Einkaufspreis brutto inklusive Mehrwertsteuer ist (z. B. von pauschalierten Landwirtschaftsbetrieben) oder netto vom Händler.Aber ...

Je mehr Preisdruck am Markt herrscht und je aktiver wir uns dagegen durch eine flexible Preisgestaltung zur Wehr setzen, desto mehr verliert der feste Aufschlagssatz an Bedeutung. Ist dann noch eine kontrollierte, gewinnorientierte Preisgestaltung möglich?

Wie kommt der Aufschlagssatz zustande?
Genau genommen kann der Aufschlagssatz nicht berechnet werden. Der Aufschlagssatz muss nämlich sowohl direkt zurechenbare Einzelkosten abdecken als auch nicht unmittelbar zuzuordnende Gemeinkosten berücksichtigen. Zu welchem Anteil die Gemeinkosten der einzelnen Ware angelastet werden können, ist abzuwägen. Denn der Markt macht den Preis, nicht der Rechenstift! So kommt es, dass es nicht nur einen einzigen feststehenden Aufschlagssatz für alle Produkte gibt, sondern zumindest zwischen verschiedenen Warengruppen differenziert wird. Das gefühlvolle Anpassen des Aufschlagssatzes bei jedem einzelnen Produkt ist das Wesen einer modernen Preispolitik.

Aufschlagsatz anpassen
Letztendlich sollten dennoch alle Kosten gedeckt sein und auch noch etwas an Gewinn übrig bleiben. Ob das so ist, zeigt die Bilanz. Inwieweit bei Abweichungen vom angepeilten Ziel der Aufschlagssatz eine Rolle spielt, kann man kontrollieren. Je nach Ergebnis wird dann der Aufschlagssatz im Bedarfsfall angepasst. Dabei wird der so genannte realisierte Aufschlagssatz errechnet. Dieser misst, um welchen Prozentsatz der Wareneinsatz einer Zeitperiode (z. B. Jahr) vermehrt werden muss, um den Umsatz zu erreichen.

Ein Zahlenbeispiel:
Wareneinsatz jährlich: € 200.000
Umsatz jährlich: € 360.000
Realisierter Aufschlagssatz* 100 / 200.000) – 100 = 80 %
Der realisierte Aufschlagssatz wird regelmäßig kontrolliert. Sinkt er, so sind bei der Preisgestaltung entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Warenverluste sind Rechenfehler
Liegt der realisierte Aufschlagssatz deutlich unter dem Satz, der im Durchschnitt in der Preiskalkulation angewendet wird, so ist das ein untrügliches Zeichen für so genannte Warenverluste. Beim Wort „Warenverlust“ wird viel zu oft an übervolle Kompostkübel und in Scherben gegangene Keramik gedacht. Warenverlust entsteht viel häufiger und in viel größerem Umfang durch Fehler bei der Kalkulation des Preises, bei der Benennung des Preises (vergessene Waren) und beim Inkasso. Spüren Sie in einer ruhigen Stunde die individuellen Fehlerquellen Ihres Betriebes auf und setzten Sie Maßnahmen, um das Fehlerpotenzial zu senken. Meist sind das ganz einfache Hilfsmittel.

Nichts zu verschenken
Ist der realisierte Aufschlagssatz also deutlich kleiner als man für plausibel hält, so sagt das, dass im Durchschnitt die Waren zu einem geringeren Aufschlagssatz verkauft werden als eigentlich angenommen. Da kann es sein, dass ein Teil der Waren zum angepeilten Preis verkauft wird und ein Teil verschenkt, geklaut oder sonst ohne Bezahlung über den Ladentisch geht. Es kann auch sein, dass bei der flexiblen Preisgestaltung viel zu oft nachgegeben wurde.

Preisknüller brauchen Preisfüller
Ein zu geringer realisierter Aufschlagssatz kommt auch dann zustande, wenn Preisaktionen in größerem Umfang durchgeführt werden. Preisreduktionen mögen aus Sicht des Marketings durchaus sinnvoll sein, um das Image zu formen oder um im Wettbewerb bestehen zu können. Sie haben natürlich aus wirtschaftlicher Sicht einen unangenehmen Nebeneffekt, nämlich die Senkung der Handelsspanne.
Daher ist es unumgänglich, daneben auch Angebote zu finden, bei denen die einkalkulierte Spanne höher als normal ausfällt, um den bei den Preisreduktionen eingefahrenen Verzicht zu kompensieren. Entgeht durch eine Preisreduktion eine mögliche Handelsspanne von € 500,–, so sollte bei einem oder mehreren anderen Produkten € 500,– mehr herausschauen als normal. Genau das ist das Prinzip einer Mischkalkulation – nämlich den preispolitischen Spielraum weiter auszudehnen. Das braucht Kreativität, der man sich gezielt widmen sollte.

Wie viel Arbeit ist eingerechnet?
Floristen drückt oft das schlechte Gewissen, wenn sie an die Arbeitszeit denken, die sie beim Binden eines Straußes verbringen. Ist diese Zeit im Preis unterzubringen? Eine Minute kostet ja € 0,50. Und wie – bitte schön – sollen da bei 10 Minuten Arbeitszeit noch € 5,– auf die Schnittblumen aufgeschlagen werden, ohne den Kunden zu vergrämen?
Doch Vorsicht! Dieser Rechenansatz ist blanker Unsinn.
Mit dem Aufschlagssatz sollten nämlich die gesamten Aufwendungen des Betriebes – soweit sie den Absatz betreffen – abgedeckt sein. Also sind mit einem ausreichenden Aufschlagssatz auch die Lohnkosten und somit die Arbeitszeit bezahlt.
Es stellt sich allerdings eine andere Frage. Es gibt Waren, die verschlingen viel Zeit und bringen wenig Umsatz. Diese gilt es zu entdecken.

Nehmen wir ein Beispiel:
Jahresumsatz im Detailabsatz:
€ 1.000.000,–
Wareneinsatz € 475.000,–
Lohnund Lohnnebenkosten
sowie Lohnansatz € 85.000,–
Betriebsgemeinkosten
€ 190.000,–
= Gewinn = € 50.000,–

Lohnanteil am Umsatz =
285.000 * 100/1.000.000 = 28,5 %

Das bedeutet, dass in einem Fertigstrauß, der € 10,– kostet, € 0,85 für Arbeit enthalten sind. Gehen wir vom Minutensatz von € 0,50 aus, so sind damit 5,7 Minuten Arbeitszeit bezahlt. Schaffen Sie es tatsächlich, in dieser Arbeitszeit die Schnittblumen zu richten, anzuschneiden, zu wässern, den Kunden zu bedienen, den Strauß zu binden und zu kassieren?
Bei kleinen Sträußen wird das knapp, wenn nicht sogar ein Draufzahler. Bei größeren Werken geht das leichter. Für einen Strauß um € 30,– haben Sie satte 17 Minuten Zeit.
Berechnen Sie anhand der vergangenen Bilanz (oder Saldenliste zum 31.12.) den Lohnanteil Ihres Betriebes.

Argument
für den Fertigstrauß
Wie wir im vorangegangenen Beispiel gesehen haben, darf für kleine Sträuße nur relativ wenig Zeit aufgewendet werden. Natürlich gleicht sich das vielleicht aus, da Sie bei großen Sträußen noch etwas Zeitreserven haben. Aber wie viele große und wie viele kleine Sträuße werden verkauft? Geht sich das wirklich aus?
Es sollte also versucht werden, gerade bei kleinen Sträußen Arbeitszeit zu sparen.
Das geht einerseits, indem rascher und effektiver gearbeitet wird. Ein gut vorbereitetes Arbeitsumfeld mit allen Materialien und Werkzeugen in Griffweite ist wichtige Voraussetzung dafür. Schnelles, ungestörtes und konzentriertes Arbeiten ist der nächste Schritt. Das spricht für die Produktion „in Serie“ auf Vorrat – also Fertigstrauß.
Andererseits kann Arbeitszeit in der Kundenbedienung eingespart werden, indem man Selbstbedienungsanreize schafft. Dazu sind fertig konfektionierte Waren notwendig, also im Falle von Schnittblumen Bunde und Fertigsträuße.

Fertigsträuße clever rechnen
Nun sind Fertigsträuße eine dankbare Möglichkeit, im Sinne einer flexibleren Preisgestaltung den realisierten Aufschlagssatz zu heben. Das ist in der Floristik allgemein bekannt. Die Frage ist nur, wie effektiv diese Möglichkeit genutzt wird. Stellen wir dazu ein Gedankenmodell an:
Der Fertigstrauß eignet sich deswegen für einen höheren Aufschlagssatz, da es dem Kunden praktisch unmöglich ist, die Entstehung des Preises bis ins Detail nachzuvollziehen. Er wird vom Kunden als „Gesamtkunstwerk“ taxiert und für preiswürdig oder nicht preiswürdig gehalten. Der Kunde wählt also einen Strauß, der von seiner Erscheinung her den Preis rechtfertigt.
Damit dabei auch ein wirtschaftlicher Nutzen erzielt werden kann, muss der Strauß also mehr herzeigen als tatsächlich drinnen ist. Er muss auf Effekt gearbeitet sein, mit wenig Materialeinsatz viel Volumen zeigen und farblich wirksam sein. Denken wir in diesem Zusammenhang auch daran, dass Fertigstraußkunden geschmacklich eher nicht soooo verliebt und verspielt sind, schneller entschlossen sind und entschiedener zugreifen als Kunden, denen man es kaum recht machen kann.

Im Schätzen sicher sein
Damit dieses Konzept aufgehen kann, ist es unerlässlich, dass Floristinnen gut schätzen können, was ein bestimmter Strauß kosten darf. Darin müssen sie sicher sein. Ob sie das können, kann hin und wieder getestet werden. Man nimmt eine Anzahl an Fertigsträußen aus der Präsentation, entfernt die Preisauszeichnung, und lässt die Floristinnen den Preis schriftlich auf Kärtchen schätzen. Dabei darf nicht genug Zeit sein um den Strauß auszählen zu können. Es soll rein nach dem Erscheinungsbild geschätzt werden. Oft kann man nur staunen, wie weit die Schätzungen einerseits auseinander liegen und wie weit sie andererseits vom angeschriebenen Preis abweichen. Und noch eins sollte bei dieser Gelegenheit nachgeprüft werden. Um wie viel wurden die Sträuße höher geschätzt als der reine Materialwert? Der Unterschied zwischen Schätzung und Materialwert ist die zusätzliche Handelsspanne, um die es hier geht!
Die Preiskalkulation im Schnittblumenverkauf ist also wirklich nicht schwer. Sie haben sogar jede Menge Spielraum und Betätigungsfeld, sich Ihr eigenes Erfolgsrezept zurechtzulegen.

Betriebswirtschaftliches Lexikon:

Handelsspanne
Die absolute Handelsspanne erhält man, wenn von den Umsatzerlösen der gesamte Wareneinsatz (einschließlich der im Detail abgesetzten Eigenproduktion zu Großhandelspreisen) abgezogen wird. Sie ist als Schlüsselkennzahl anzusehen und ist mit dem Deckungsbeitrag im Produktionsbereich vergleichbar.

Nominaler Aufschlagssatz
In den meisten Endverkaufsgärtnereien wird eine Preiskalkulationsmethode angewandt, die als Aufschlagssatzkalkulation bezeichnet wird. Der Verkaufspreis ergibt sich dabei aus dem Einstandspreis, der um einen betriebsindividuellen Aufschlagssatz erhöht wird.
Dieser Wert schwankt sehr häufig von Warengruppe zu Warengruppe.
Verkaufspreis = Einstandspreis * (100 + nominaler Aufschlagssatz) / 100

Realisierter Aufschlagssatz
Durch Warenverluste kann der Aufschlagssatz nicht auf den gesamten Wareneinsatz umgelegt werden. Der tatsächlich realisierte Aufschlagssatz errechnet sich aus der Division der Handelsspanne durch den Wareneinsatz. Multipliziert man diesen Wert mit dem Faktor 100, so erhält man den realisierten Aufschlagssatz in %.
Realisierter Aufschlagssatz (in %) = Handelsspanne / Wareneinsatz * 100.