Bambus Phyllostachys im Botanischen Garten

Ein Artikel von red. | 19.10.2005 - 16:00

Bereits in Bestandslisten von 1893 ist der Bambus Phyllostachysviridi-glaucescens im Botanischen Garten an gleicher Stelle eingetragen. Erist damit einer der ältesten in Österreich und mit 230 m² Fläche wohl aucheiner der ganz großen historischen Bambushaine im „winterkalten“Mitteleuropa nördlich der Alpen.

Seit 18. Oktober 2005 kann dieser wertvolle und sehr schöneBambushain für Besucherinnen und Besucher erstmalig auch im Innerenbesichtigt werden: Studentinnen und Studenten der Klasse für Landschaftsdesign derUniversität für Angewandte Kunst haben unter Leitung von Prof. Mario Terzicwährend eines Wettbewerbs einen etwas anderen „Weg“ für das Erlebnis Bambusgefunden. Jessica Gaspar und Nikola Schuberth entwickelten ihr Siegerprojekt„Bambusweg“ zu zwei Stegen weiter.

Verwirklicht wurden die Stege zusammen mit Gärtnerinnen und Gärtnern des Botanischen Gartens und der Firma Zeman Stahlbau. Mitten in Wien kann nundas Flair dieser über 8 m hohen und fast Schrebergartengroßen (230 m²)Bambuspflanze von innen erlebt werden. Wer sich Zeit nimmt, hört das leichteRascheln der Blätter im Wind, das Klacken der „Halme“ und spürt wohl auchdie besondere Atmosphäre dieses Wäldchens aus Bambusrohr. Sponsoren,Bambuswegpaten und viele Spender kleiner Beträge unterstützten diesesProjekt finanziell und mit viel Geduld.

Gleichzeitig wurde dieser wertvollen Pflanze durch das Entfernen vonstörenden Gehölzen und die Öffnung einer weiteren Fläche neuer Raum gegeben.Diesen Raum kann sich die Pflanze in den nächsten Jahren unter Beobachtungvon Besucherinnen und Besuchern erobern. Eine leichte Umfriedung beschreibtdiesen Raum und verhindert, dass Neugierige in Unkenntnis den jungenJahresaustrieb zertreten und die Pflanze in ihrem Bestand bedrohen.

Aus einer Idee „Bambusweg“ wurde eine intensive und lehrreiche Kooperationzwischen der Klasse für Landschaftsdesign und dem Botanischen Garten. Kunstund Wissenschaft, Theorie und Praxis trafen aufeinander. Ideen, Erfahrungen und know how konnten dadurch ausgetasucht werden.
Im Botanischen Garten wurden nicht nur ein Weg und Entwicklungsraum fürdiese besondere Pflanze geschaffen, sondern auch ein neuer würdiger Rahmenan historischem Ort im gesamten Ensemble der Forschungs- und Lehrsammlungendieser universitären Einrichtung.

Bambus

Bambus gehört zur Familie der echten Gräser (Poaceae). Weltweit gibt es ca.1000 Bambusarten die zur Unterfamilie Bambusoideae zusammengefasst werden.Sie kommen in den Tropen, Subtropen und temperaten Gebieten Amerikas,Afrikas und Asiens vor.
Alle Arten haben holzige “Halme”. Eine Besonderheitist, dass Bambus oft erst nach Jahrzehnten blüht und dann fasst allePflanzen einer Ab­stam­mungseinheit gleich­zeitig. Nach der Blüte sterbendie meisten Pflanzen; so blüht z.B. Phyllostachys edulis etwa alle 50 Jahreund P. nigra alle 30 Jahre.

Phyllostachys

Der Bambushain (Gruppe 20) im Botanischen Garten, nahe am historischenPavillon, wird von Phyllostachys viridi-glaucescens gebildet. Die Gattungbesitzt ca. 75 Arten, die im temperaten China beheimatet sind. Phyllostachysviridi-glaucescens selbst hat seine Heimat in den chinesischen Pro­vin­zenJiangsu und Zhejiang. Die Sprossachsen können hier bis 12 m hoch werden undeinen Durchmesser von 10 cm erreichen. Neue Triebe besitzen eineweißpuderige Bereifung, die später verloren geht, so dass die Achsenmattgrün er­scheinen.Schon in an­tiker Zeit wurden viele Bambusarten zu Zier- und Nutzzwecken inJapan eingeführt. Mitte des 19. Jh. gelangten die ersten Phyllostachys-Artenerstmals auch nach Europa und Ame­ri­ka um als Zierpflanze angepflanzt zuwerden. P. viridi-glaucescens ist in Asien Basis der Papier­produk­tion undjunge Triebe sind Quelle für Bambus­sprosse zu Speisezwecken.

Bambus im Botanischen Garten

Phyllostachys viridi-glaucescens ist bereits in Pflanzenlisten von 1893 fürjene Stelle im Botanischen Garten vermerkt, auf der er heute noch wächst.Damit dürfte diese Bambuspflanze eine der ältesten und inzwischen auchgrößten Wiens und Österreichs sein. Dieser Bambus besteht wahrscheinlich ausnur einer Pflanze und hat sich seit den 1960er Jahren aus einem kleinenBestand zu einem hübschen Hain von fast 250 m² Fläche entwickelt. Diestärksten „Halme“ erreichen im Garten Höhen von über acht Metern und einenUmfang von über 22 cm.

Eine Blüte ist für unsere Pflanze nicht dokumentiert; in der Literatur wirddie letzte Massenblüte für 1968 angegeben. P. viridi-glaucescens ist eineder winterhärtesten Phyllostachys-Arten. In un­serem Botanischen Garten hatsie auch die langen und schneearmen Winter 1984/85 und 1985/86 gutüberstanden. Die Pflanze ist sehr wüchsig und breitet sich immerweiter aus.Sie soll in den nächsten Jahren bis in den Traufenbereich der großenKoniferen am Südrand der Gruppe vordringen dürfen. Unter den Kronen dieserBäume selbst soll aber ein Raum für Ruhe und Kraft entstehen.

Weitere winterharte Bambusse befinden sich nordöstlich des Hains in Gruppe19. Bis auf Phyllostachys nigra haben alle Arten ihre natürliche Größeerreicht, werden aber durch unterirdische Betonringe an großflächigerAusbreitung gehindert. Der mächtigste Bambus des Gartens, Dendrocalamusgiganteus, steht jedoch im Tropenhaus. Seine „Halme“ wachsen pro Tag über 20cm.

Botanischer Garten der Universität Wien

Öffnungszeiten: von 09.00 bis ca. ½ Stunde vor Sonnenuntergang. Bei Sturm,Starkregen und Gewittern aus Sicherheitsgründen geschlossen. Vom 24 Dez. bis6. Jänner geschlossen.
Eingänge: 1030 Wien, Eingang Mechelgasse/Ecke Prätoriusgasse und Eingangüber das Obere Belvedere-Alpengarten
Eintritt: frei

Ein Informationsblatt vor Ort und ein Folder zum Mitnehmen (zumSelbstkostenpreis von 25 Cent) informieren künftig über den Bambus undseinen Weg.

Universität für Angewandte Kunst
1010 Wien, Oskar Kokoschka-Platz 2
Klasse für Landschaftsdesign
Univ. Prof. Mario Terzic