13472613164737.jpg

© Blumenbüro Österreich

Vom Lehrling zum Meister

Ein Artikel von Ulrike Fassler | 10.09.2012 - 09:05
13472613164737.jpg

© Blumenbüro Österreich

Gärtner+Florist: Welche aktuellen Entwicklungen und zukünftigen Potenziale verfolgen Sie in der österreichischen Floristikbranche? Welche Werte bietet der Beruf? Wie ist das Image des Berufsstandes österreichweit und im internationalen Vergleich?
Wein: Die aktuellsten Entwicklungen zeigen mir, dass es für die Gesamtbranche nur ein Weiterexistieren und darüber hinaus auch ein Vorankommen gibt, wenn nach höchsten Qualitäten, sowohl beim Grundprodukt als auch bei der damit verbundenen Gestaltung, gestrebt wird.

Grundsolides Handwerk, respektvolles Gestalten mit einem Verständnis für die Vorgänge in der
 Natur – das sind die Werte, die der Beruf vermitteln kann


Alle anderen Marktsegmente werden von Massenanbietern mittlerweile abgedeckt und sind für unsere Unternehmensstrukturen nicht konkurrierbar. In der Schülerschaft der Akademie für Naturgestaltung merke ich ein zunehmendes Bedürfnis, ökologisch vernünftig und nachhaltig zu gestalten. Und die dementsprechenden Floralien werden dringendst benötigt, insofern sie nicht schon im Moment von sehr verantwortungsvollen Gärtnern kultiviert werden.
Gestalterisch entwickelt sich die österreichische Floristik wohltuend und mit immer mehr Ästhetik, die ihre Grundlage in der Natur hat. Es zeugt von hohem Niveau, wenn trotz gestalterischer Tätigkeit die Natur der Dinge berücksichtigt wird.
Und wenn es zu Gestaltungen kommt, die einen starken Eingriff in die Natur darstellen, geht man so exakt an die Umsetzung, dass ein großer Respekt zu empfinden ist.
Der Beruf hat die Möglichkeit, mit ökologischem Gewissen assoziiert zu werden, als  Bewahrer von Natur. Und das wird nach meiner Meinung einen immer größer werdenden Stellenwert bei der breiten Masse der Bevölkerung einnehmen. Grundsolides Handwerk, respektvolles Gestalten, und das mit einem Verständnis für die Vorgänge in der Natur – das sind die Werte, die der Beruf vermitteln kann.

Die Verbindung von hohem handwerklichem und gestalterischem Niveau mit einer Umgebung von höchster Wertschätzung bei der Bevölkerung muss noch stärker gefördert werden

Der Beruf mit seinem Umgang mit der pflanzlichen Natur besitzt sicherlich ein grundsätzlich hervorragendes Image in der Bevölkerung, was auf jeden Fall aber imagemäßig noch zu verbessern wäre, ist der wirtschaftliche Wert, den die Gärtner und Floristen mit ihrer Arbeit erschaffen. Nach meiner Meinung muss in den nächsten Jahren noch mehr von uns transportiert werden, wie kostbar unsere Arbeit ist und was für ein hohes Niveau erforderlich ist, um Kundenwünsche so realisieren zu können, wie wir das tun.
Im fachlichen Vergleich nimmt die österreichische Floristik einen der höchsten Standards in Europa ein. Es gibt kaum ein Land, das dermaßen akribisch und mit vollem Einsatz sich um den Nachwuchs kümmert und daraus so große öffentliche Auftritte inszeniert, wie es z. B. die Lehrlingswettbewerbe sind. Die Verbindung von hohem handwerklichem und gestalterischem Niveau mit einer Umgebung von höchster Wertschätzung bei der Bevölkerung muss noch stärker gefördert werden. Österreichische Floristinnen und Floristen gewinnen international immer mehr an Bedeutung, wobei man hier noch ein bisschen offensiver an die Sache herangehen könnte.

Die persönlichen Voraussetzungen sind die Liebe zur pflanzlichen Natur, Begeisterung für ein riesiges Farbspek­trum, die Freude mit Menschen umzugehen, Einsatzwille und nicht zuletzt die Bereitschaft, fleißig zu sein

Gärtner+Florist:
Was spricht dafür, jungen Menschen zum Floristikberuf zu raten? Welche Voraussetzungen und Talente sollen die Berufsanwärter aus Ihrer Sicht mitbringen?
Wein: Einen enormen finanziellen Anreiz, Florist oder Floristin zu werden, können wir im Moment noch nicht bieten. Das wäre ein Ziel der nächsten Jahre! Der Anreiz muss im Moment noch auf einer anderen Ebene liegen. Dieser Anreiz wäre für mich das ungeheuer große Potenzial an Möglichkeiten, sich mit Floralien auszudrücken, Gefühle von Kunden zu gestalten und die sich daraus resultierenden Wünsche zu erfüllen. Das wäre weiters der Zugang zur pflanzlichen Natur, der Umgang mit schönen Dingen, das Erlernen eines vielfältigen und wunderschönem Handwerks und das Bewusstsein, in einer uralten Ahnenfolge von Blumengestaltern zu stehen – all das wären für mich Gründe, diesen Beruf zu erlernen. Außerdem kann man in diesem Beruf glücklich werden, und das ist für mich der wichtigste Grund, um ihn zu ergreifen. Die persönlichen Vo­raussetzungen sind dabei für mich die Liebe zur pflanzlichen Natur, Begeisterung für ein riesiges Farbspektrum, die Freude, mit Menschen jeglicher Art umzugehen, Einsatzwille und nicht zuletzt die Bereitschaft, fleißig zu sein, um durch all das sein Handwerk lieben zu können.

Gärtner+Florist: Welche Chancen, aber auch welche Herausforderungen bietet dieser Beruf?
Wein: Der Beruf hat heute ein viel größeres Spektrum, als er jemals zuvor hatte. Von der Beschäftigung im Blumenfachgeschäft ausgehend kann man in die pädagogische Ausbildung vorrücken, eine floristische Begleitung für Eventagenturen werden, Redaktionen von Magazinen unterstützen, in der freiberuflichen Tätigkeit als Berater von Unternehmen oder Organisator von Fachveranstaltungen und Vorführungen fungieren. Auch das Spektrum des Blumenfachgeschäftes hat sich ernorm vervielfältigt. Die Möglichkeiten reichen vom klassischen Blumengeschäft, über das florale Angebot in Form einer Galerie. Die Blumenwerkstatt wird zunehmend interessanter werden. Der Aufbau von Erlebniswelten mit den Randbereichen, die zur Floristik dazugehören – all das sind Möglichkeiten und Chancen, die der Beruf bietet.
Die größte Herausforderung sehe ich im Aufbau eines guten Marketings, einer noch besseren Vermarktung unserer Leistungen, einer Hinwendung, uns noch nachdrücklicher im Bewusstsein der Verbraucher als unverzichtbaren Teil unserer Kultur zu etablieren. Unser wichtigstes Potenzial sind die Menschen, die diesen Beruf ergreifen und deren Kreativität – dieses Reservoir muss noch stärker positiv für unsere gesamte Branche genutzt werden!

Ein eindeutiges Ziel ist es, den Absolventen zu vermitteln, dass man nichts isoliert betrachten kann,
alles beeinflusst alles! –  das ist das Grundmotiv der Ausbildung


Gärtner+Florist: Welche wesentlichen Inhalte (Fachbereiche) vermitteln Sie den Teilnehmern in Ihren Meisterausbildungskursen?
Wein: Der akademische Gedanke steht über allem in der Ausbildung. Jeder lernt von jedem. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, dass wir internationale Klassen bilden. Je größer das Potenzial, um so größer sind die Chancen, etwas gemeinsam zu entdecken und dadurch zu entwickeln.
Alle Fachbereiche, seien es nun die gestalterischen, aber auch die wirtschaftlichen, lassen sich auf den Umgang mit dem Floralen zusammenfassen. Es ist eindeutig das Ziel, den Absolventen zu vermitteln, dass man nichts isoliert betrachten kann, alles beeinflusst alles! –  das ist das Grundmotiv der Ausbildung, und das ist der philosophische Ansatz, der vermittelt werden soll. Die gesamte Theorie nutzt überhaupt nichts, wenn man sie nicht in die Praxis übertragen kann. Alle theoretischen Fachbereiche dürfen nicht einzeln betrachtet werden, denn die Farbenlehre beeinflusst die allgemeine und damit natürlich auch die spezielle Gestaltung. Alles ist eine Frage des Stils, und deshalb ist das Fach Stilkunde von größter Bedeutung. Wie können alle gestalterischen Ergebnisse in die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens integriert werden, und wie kann das Selbstbewusstsein gestärkt werden, all das vor anderen zu vertreten. Dabei nimmt das Pflanzliche eine übergeordnete Position ein, denn das Florale soll ein Partner beim Gestalten sein und keine Sache, der man sich bedient.

Es ist eine Frage des Images, dass gute Praktiker auch über eine sehr gute Theorie verfügen sollten. Genau dieser Aspekt fehlt uns im Bewusstsein unserer Kunden noch

Gärtner+Florist:
Wie würden Sie das derzeitige Ausbildungsangebot für Floristik vom Lehrling bis zum Meister in Österreich beurteilen? Was wäre verbesserungswürdig?
Wein: Die klassische Ausbildung vom Lehrling zum Gesellen zum Meister hat europäische Traditionen und kein anderer Kontinent kann dieses Ausbildungsmodell bieten. Es ist ein Teil unserer Wurzeln, unserer kulturellen Herkunft unserer Identität, die wir uns über Jahrhunderte erschaffen haben. Das macht Europa so außergewöhnlich und genau dieses Prinzip wird in Österreich in unserem Beruf favorisiert. Ein neuer Aspekt ist dabei das duale System von Schule und praktischer Ausbildung und darin stecken im Moment vom Verständnis her noch die größten Mängel. Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem Schulsystem und der Ausbildung in den Betrieben oder einen gewissen Argwohn der „Praktiker“ gegenüber den „Theoretikern“! Dass beides nötig ist, um zum Optimalen zu kommen, wird zu oft vernachlässigt. Es ist eine Frage des Images, dass gute Praktiker auch über eine sehr gute Theorie verfügen sollten. Genau dieser Aspekt fehlt uns noch im Bewusstsein unserer Kunden. Gebildet und Praktiker zu sein, das ist es, was wir noch mehr fördern sollten.

Informationen zur Meisterausbildung

www.naturgestaltung.com
info@naturgestaltung.com
Tel. 0049/6831 49425